Wer geht, kann mehr sehen, er hat die Hände frei für komplexe Tätigkeiten, und er bewegt sich so sparsam fort, dass er noch Energie übrig hat – zum Beispiel für ein großes Gehirn. Dabei ist Gehen biomechanisch gesehen eine Sensation. Kein anderes Lebewesen in unserer Gewichtsklasse bewegt sich sparsamer fort. Denn Gehen ist eine motorisch anspruchsvolle Tätigkeit, sie erfordert Koordination und Gleichgewichtssinn. Während andere Säugetiere fast von Geburt an durch die Welt springen, brauchen menschliche Kinder ein Jahr, bis sie sich auf zwei Beinen bewegen können. Dadurch hat das Gehen die Entwicklung der Menschen zu sozialen Wesen verstärkt. Und es scheint, als hätten unsere Vorfahren das von jeher geahnt. Seit der Mensch Geschichte schreibt, ist Gehen ein Schlüssel der menschlichen Selbstdeutung. Für Aristoteles war der aufrechte Gang ein Zeichen der "Teilhabe am Göttlichen". Denn beim Gehen findet der Mensch zu sich selbst, zurück in seinen Naturzustand.
„In Bewegung zu kommen, um Ruhe zu finden“
Gehen ist gerade das Tempo, für das der Mensch gemacht ist. Seine Mechanik und sein Stoffwechsel sind wie geschaffen dafür, immer weiterzugehen. Wer rennt, wird irgendwann von der Ermüdung seiner Muskeln gestoppt. Gehen hingegen können Menschen praktisch beliebig lange. Sinne und Gehirn nehmen die wechselnde Szenerie beim Gehen auf, ohne davon überwältigt zu werden. Das Tempo dieses Schauspiels ist geeignet, uns auf sanfte Weise anzuregen.
„Die Gedanken kommen voran, wenn der Körper vorankommt“
Das ist eine sehr aktuelle Erkenntnis. Denken, Fühlen und Wahrnehmen sind keine rein geistigen Prozesse, sondern auch körperliche, lautet das neue Paradigma.
Die reinigende, befreiende Wirkung des Gehens ist auch in der Psychotherapie angekommen. Es gibt eine ganze Reihe von Therapieangeboten, die das Gehen als Heilmittel anwenden. Die sanfte Bewegung des Gehens beflügelt nicht nur Geist und Seele, sie ist eine Wohltat für den ganzen Körper. Sie beschert viele der positiven Effekte sportlicher Aktivität – ohne Strapazen für den Bewegungsapparat und den Kreislauf. Gehen ist einfach, es kostet nichts, fast jeder kann es, fast überall, und fast jedem tut es gut, bis ins hohe Alter.
„Wir müssen nur auf die Beine kommen, die Wege bringen uns überall hin“
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